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Wohnkostenbelastung bleibt konstant

28.09.2020
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Wohnkostenbelastung bleibt konstant

Und 25 Prozent des Nettoeinkommens mussten Haushalte im Jahr 2018 für die Bruttokaltmiete (Nettokaltmiete plus kalte Nebenkosten) aufwenden, ein Wert, der sich seit Mitte der 2000er-Jahre kaum verändert hat. Zwar sind die realen Mieten in den vergangenen Jahren gestiegen, der die realen Einkommen auch. Dies ist die Kernaussage der neuen Studie, die das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Ende Juli veröffentlicht hat. 

Der Studie zufolge ist die Wohnkostenbelastung für den allergrößten Teil der Bevölkerung in den vergangenen Jahren nicht gestiegen, sondern konstant geblieben. Mit diesen Ergebnissen werden die Medienberichte und politischen Debatten über explodierende Mieten und Wohnkosten relativiert. 

Die Neuvertragsmieten haben sich demnach in den Top-7-Städten seit 2010 jährlich inflationsbereinigt um 4,7 Prozent erhöht. Den größten Anstieg hatte Berlin zu verzeichnen (6 Prozent), den geringsten Düsseldorf (2,3 Prozent). Die Einkommen der Mieterhaushalte haben bundesweit im gleichen Zeitraum inflationsbedingt um insgesamt 7 Prozent zugelegt. Damit sind die Einkommen schneller gestiegen als die Neuvertragsmieten, doch Neuvermietungen machen nur einen kleinen Teil des Mietmarkts aus. Lediglich 8,8 Prozent der deutschen Mieter sind dem Energiedienstleister Techem zufolge zuletzt innerhalb eines Jahres umgezogen. IW-Berechnungen auf Grundlage des Sozia-Ökonomischen Panels (SOEP) zufolge lag der Anteil der Mieterhaushalte, die ihre aktuelle Wohnung im Beobachtungs- oder im Vorjahr bezogen haben, im Jahr 2018 bei 14,1 Prozent. 

Die meisten Mieter sind also nicht von Neuvermietungen betroffen, sonder leben schon seit längerer Zeit in ihren aktuellen Wohnungen und haben somit auch ältere Mietverträge. Diese Bestandsmieten wiederum steigen deutlich langsamer als die Neuvertragsmieten. Während Neuvertragsmieten zwischen 2000 und 2013 im Mittel nur 5 Prozent teurer waren als Bestandsmieten, betrug diese Differenz zwischen 2016 und 208 dagegen 14 Prozent, wie das IW auf Basis des SOEP berechnet hat. Dadurch hat sich die Wohnkostenbelastung aller Mieter im Mittel in den vergangenen Jahren nicht vergrößert. 

Hinzu kommt dem IW zufolge, dass ich Neumieter aufgrund gestiegenen Neuvertragsmieten häufiger mit kleineren Wohnungen begnügen. Bestandsmieter hatten 2018 demnach im Schnitt 49,5 Quadratmeter Wohnfläche pro Kopf zur Verfügung. Mieter mit Neuverträgen dagegen nur 45,6 Quadratmeter. Deshalb ist auch die Wohnkostenbelastung von Mietern mit Neuverträgen nicht so stark gestiegen, wie es die Erhöhungen der Neuvertragsmieten suggerieren. Wer sich eine neue Wohnung sucht, passt sich also den Umständen an und verzichtet auf etwas Wohnfläche oder zieht in eine weniger zentrale Lage. Das sind übliche Prozesse auf einem Wohnungsmarkt, der von einem starken Nachfrageüberhang geprägt ist. 

Auf den subjektiven Eindruck der Mieter scheint die häufig so aufgeheizte politische und mediale Debatte nicht ganz korrekt abzubilden. Auf die Frage nach den subjektiven Wohnkostenbelastungen haben im SOEP mehr als drei Viertel der befragten Mieterhaushalte einen Wert zwischen 0 und 5 angegeben, wobei für 0 für "überhaupt kein Problem" und 10 für "sehr hohen finanzielle Belastung" stand. Knapp 24 Prozent der Befragten vergaben den Wert 0 und insgesamt 51 Prozent gaben eine Wert von 0 und 3 an. 

Die Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft macht damit auf eine Entwicklung aufmerksam, die auch im jährlich veröffentlichen Wohnpreisspiegel des Immobilienverbands Deutschland IVD bereits beobachtet wurde. Die Mietsteigerungen scheinen im Gesamten nich so dramatisch auszufallen, wie allgemein der Eindruck erweckt wird. Dem zuletzt 2019 veröffentlichten IVD-Wohnpreisspiegel zufolge stiegen die Neuvertragsmieten für Bestandswohnungen mit mittlerem Wohnwert zwischen 2018 und 2019 im Bundesschnitt mit 3,6 Prozent nur unwesentlich höher. Auch in den Jahren davor betrug der durchschnittliche Anstieg nie mehr als 4,2 Prozent. Selbst in den Top-7-Städten siegen die Mieten zwischen 2018 und 2019 im Schnitt nur um 3,4 Prozent. 

Vor diesem Hintergrund erscheinen die massiven wohnungspolitischen Eingriffe der vergangenen Jahre noch fragwürdiger, als sie sowie schon sind. Als Höhepunkt der bisherigen Regulierungspolitik ist diesem jähr in Berlin der Mietendeckel in Kraft getreten, den die SPD in etwas entschärfter Variante inzwischen auch für den Bund fordert. In einem Positionspapier tritt der SPD-Mietrechtsexperte und Bundestagsabgeordnete Michael Groß dafür ein, dass die Kappungsgrenze, die bisher eine Mieterhöhung von maximal 20 bzw. in angespannten Märkten 15 Prozent innerhalb von drei Jahren bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete vorsieht, drastisch reduziert wird. Gefordert wird, dass die Bestandsmiete nur um die Höhe der Inflation und nicht mehr als 6 Prozent binnen drei Jahren erhöht werden darf. 

Im Fokus der wohnungspolitischen Debatte stehen also weiterhin zusätzliche Eingriffe ins Mietrecht, statt das Thema Wohnungsbau stärker voranzubringen. Ob das angesichts der Ergebnisse der IW-Studie die richtige Strategie ist, erscheint zweifelhaft: Offensichtlich ist weniger die Wohnkostenbelastung das Problem als vielmehr der Mangel an freien Wohnflächen in den großen Städten und zentralen Lagen (IVD/AIZ Das Immobilienmagazin 08/2020)